Maßnahmen
Das Vorgehen ist vielfältig
Das Expertengremium – bestehend aus WVER, dem Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft RWTH Aachen University (IWW) sowie zahlreichen Fachexperten – hat verschiedene mögliche Maßnahmen zur Stärkung der Hochwasserresilienz identifiziert. Ursprünglich im Kontext der Flut im Inde/Vicht-Einzugsgebiet eingesetzt, wird die Systematik auf andere Einzugsgebiete übertragen. Im Folgenden erläutern wir diese möglichen Maßnahmen, die sukzessive in verschiedenen Projekten der jeweiligen Hochwasserschutzkonzepte nach erfolgreicher Prüfung umgesetzt werden sollen.
Susanne Kozerke „Hochwasserresilenz ist eine Generationenaufgabe. Sie muss immer neu gedacht und den Entwicklungen angepasst werden.“
Gebietshydrologin beim WVER
Bau von Hochwasserrückhaltebecken
Ortschaften und Städte können bei Hochwasserereignissen durch Gewässer bedroht sein, die an ihnen vorbei- oder durch sie hindurchfließen. Hier schaffen Hochwasserrückhaltebecken (HRB) Abhilfe. Sie nehmen Wassermengen, die in Ortslagen zu Schäden führen, auf und lassen nur eine gedrosselte Menge in den Unterlauf. Die Becken sind in der Regel eingedeicht oder riegeln durch ein Querbauwerk eine vorhandene Senke oder ein Tal ab.
Gezielte Lenkung von Hochwasser
Wenn ein Gewässer sehr viel Wasser führt, kann es Sinn ergeben, Anteile des Wassers mittels Hochwasserlenkung über gezielte Maßnahmen gefasst abzuleiten und somit für eine Entlastung des eigentlichen Gewässerlaufs zu sorgen. Hierzu können neue Abschlagsgräben angelegt oder entsprechend ausgelegte Straßenverläufe genutzt werden, um das „Zuviel“ an Wasser schadlos zu lenken.
Errichtung von Treibgutfallen
Bei einem Hochwasser wird viel Treibgut mitgerissen. Das Treibgut kann zu Verblockungen zum Beispiel an Brückengeländern, Durchlässen und Engstellen führen, was den Wasserstand nochmals steigen lässt. Durch die hohe Fließgeschwindigkeit des Wassers hat das Treibgut überdies eine enorme Zerstörungskraft durch die Wucht des Aufpralls. Mit Treibgutfallen im Gewässer oberhalb von Ortslagen wird das Treibgut zurückgehalten, an einer Stelle konzentriert und dort gezielt entnommen.
Leistungsfähigkeitsanpassung von
Brücken und Durchlässen
Durchlässe und Brücken stellen häufig künstlich geschaffene Nadelöhre für den freien Wasserabfluss dar. Gerade bei Hochwässern können sie sich als nicht ausreichend leistungsfähig erweisen, um große Wassermassen durchzuleiten. Aufweitungen sorgen dafür, dass mehr Wasser unter die Brücke oder „durch das Rohr“ passt. Dazu müssen hydraulische Überprüfungen stattfinden, die zu einer Anpassung von Bauwerken führen können.
Umsetzung von
Renaturierungsmaßnahmen
Der Mensch hat die Gewässer baulich stark verändert. Breit mäandrierende Flussverläufe wurden begradigt und die Fließgewässer in ein enges Korsett gezwängt. Wehrstufen zum Gefälleausgleich stellen Hindernisse für die freie Wanderung von Fischen und anderen Lebewesen dar. Durch einen naturnahen Rückbau (Renaturierung) von Gewässerstrecken erhält der Fluss wieder Raum, seinen Lauf selbsttätig (eigendynamisch) zu verändern.
Flächenumnutzungen für „Raum für den Fluss“
Ein wesentlicher Grund für Überschwemmungen bei starken Regenereignissen ist: Der Mensch hat den Gewässern in der Vergangenheit Raum weggenommen und sie eingeengt. Wo Ufermauern beschädigt wurden und wegbrachen, kann man an derselben Stelle möglicherweise eine rückverlegte Uferböschung anlegen, die das Flussprofil verbreitert und dem Gewässer so mehr Platz gibt.
Hochwasserangepasste Flächenbewirtschaftung im Einzugsgebiet
Die Art und Weise, wie der Mensch Flächen bewirtschaftet, hat Auswirkungen auch auf Hochwasserereignisse. So strömten im Juli 2021 große Wassermengen gerade im Einzugsgebiet der Vicht auch aus Waldstücken in die Bäche. Der Wasserrückhalt dort ist geschwächt, nicht zuletzt durch Kahlflächen und auch weil etwa Fichten mit den Folgen des Klimawandels nur schlecht zurechtkommen und in weiten Bereichen durch die Trockenheit der letzten Jahre abstarben. Zusätzlich sorgen angelegte Entwässerungsgräben dafür, dass das Wasser schnell aus den Waldgebieten abgeleitet wird.
Anpassung von Ufermauern, Böschungen und Deichen
Ufermauern und Böschungen konnten im Juli 2021 das Wasser nicht zurückhalten. Sie wurden überströmt und teilweise stark beschädigt. Ebenso Deiche. Der Wasserverband wird hydraulische Überprüfungen vornehmen und hier mehr Raum für den Fluss etwa durch Deichrückverlegungen schaffen oder Deiche, Uferböschungen und Mauern erhöhen, um einen größeren Schutz zu erzielen als den, der für einen Schutz im Sinne der Hundertjährlichkeit erforderlich wäre.
Hochwasserangepasster Objektschutz
Durch das Hochwasser vom Juli 2021 wurden zahlreiche Gebäude, u. a. Einrichtungen der kritischen Infrastruktur, stark in Mitleidenschaft gezogen und teils sogar ganz außer Betrieb gesetzt. Betroffen waren auch Kläranlagen sowie Bauwerke der Abwasserableitung. Die Anlagen konnten wieder zum Laufen gebracht und so eine Gefährdung für die Umwelt verhindert werden. Im Einzugsgebiet von Inde und Vicht werden Maßnahmen ergriffen, um Anlagen widerstandsfähiger gegen Hochwasserschäden zu machen, z. B. indem man elektrische Schaltanlagen nicht mehr in Gebäudekellern unterbringt, sondern sie hochwassersicher (erhöht) aufstellt.